So hilft die Stadt Lingen dem Einzelhandel und Gastronomie

Lingener Tagespost - Lokales vom 19.06.2020

Von Wilfried Roggendorf

Lingen. Der Einzelhandel und die Gastronomie bekommen in der Corona-Krise Hilfe von der Stadt Lingen. Das hat der Rat auf Antrag der CDU-Fraktion einstimmig beschlossen. Dabei geht es um finanzielle Kaufanreize, den öffentlichen Personennahverkehr, das Parken und das Projekt „Lingen liefert“. Doch dies kann nach Ansicht mehrerer Ratsmitglieder nur ein erster Schritt sein.

Auslöser des Antrages war ein Hilferuf des Vereins Lingen Wirtschaft und Tourismus. Dessen Vorsitzender Dirk Iserlohe und seine Stellvertreterin Stefanie Neuhaus-Richter hatten sich in der vergangenen Woche mit einem Brief an Oberbürgermeister Dieter Krone und die Stadtratsfraktionen gewandt. Darin hieß es:

„Einigen Kollegen steht das Wasser bis zum Hals und wir brauchen so schnell es geht mehr Frequenz in unseren Geschäften.“

CDU-Fraktionsvorsitzender Uwe Hilling bezeichnete die jetzt beschlossenen Maßnahmen als einen „Strauß von Möglichkeiten“, die mit Vertretern von Einzelhandel und Gastronomie diskutiert worden seien. Um welche Maßnahmen handelt es sich im Einzelnen?

  • Einkaufsgutscheine, die von Lingen Wirtschaft und Tourismus verkauft werden, sind zukünftig mehr wert. Um 16 Prozent erhöht sich der Betrag, den die Bürger für einen Gutschein bezahlt haben. So können beispielsweise für einen 100-Euro-Gutschein waren im Wert von 116 Euro gekauft werden. Hilling sprach davon, dass durch diese Maßnahme eine zusätzliche Kaufkraft von 1 Million Euro in der Stadt geschaffen werde. 
  • Kostenloses Parken habe laut Hilling stark im Fokus der Einzelhändler gestanden. „Dies ist in unserer Fraktion stark diskutiert worden“, sagte Hilling. Das Ergebnis: An den Samstagen im Juli und August soll das Parken auf den bewirtschafteten ober- und unterirdischen Parkplätzen in der Stadt kostenlos sein.
  • Die Benutzung des „Lili-Bus“ soll an diesen Samstagen ebenfalls kostenlos sein.
  • Kosten für die Aktion „Lingen liefert“, die den Einzelhändlern entstehen, sollen im Juli und August zu 50 Prozent von der Stadt Lingen übernommen werden.

Im Juli und August werden Einkaufsgutscheine von Lingen Wirtschaft und Tourismus 16 Prozent mehr wert sein, als der Kunde dafür bezahlt hat.

Wie diese Regelungen genau ausgestaltet werden, darüber sollen Stadt, Lingen Wirtschaft und Tourismus sowie Vertreter von Einzelhandel und Gastronomie sich kurzfristig abstimmen.“ Die Verwaltung wird beauftragt, die von den Fraktionen vorgetragenen Punkte auszuarbeiten und kurzfristig umzusetzen“, fasste Ratsvorsitzender Werner Hartke (CDU) den Beschluss zusammen. 

Für die FDP-Fraktion, die ursprünglich einen eigenen Antrag eingebracht hatte, der ein zeitlich begrenztes kostenloses Parken nicht nur samstags, sondern während der gesamten Woche beinhaltete, äußerte sich Dirk Meyer: „Wir stellen uns dem Antrag der CDU nicht entgegen, auch wenn wir die Besucherfrequenz in der Innenstadt auf die ganze Woche verteilen wollten.“ Die Erhöhung des Wertes der Einkaufsgutscheine nannte Meyer eine „gute Sache“. Der Liberale mahnte jedoch an:

„Wir müssen das Geschehen weiter verfolgen.“

Ähnlich sah dies der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion Andreas Kröger: „Wir müssen auch in Zukunft die Innenstadt fördern und das Thema im Blick behalten.“ Seine Fraktion habe den Hilferuf von Handel und Gastronomie sehr ernst genommen. „Wir hätten uns gewünscht, dass der ,Strauß von Maßnahmen‘ der CDU etwas größer ausgefallen wäre“, sagte Kröger. Das typische Bummeln in der Stadt gebe es derzeit nicht mehr. Niemand halte sich mit Maske gerne in der Stadt auf. Der Sozialdemokrat regte an, daher wieder mehr Events und Veranstaltungen in der Innenstadt anzubieten. Diese müssten, ebenso wie die jetzt beschlossenen Maßnahmen, überregional bekannt gemacht werden.

Auch vor dem Geschäft der stellvertretenden Vorsitzenden des Vereins Lingen Wirtschaft und Tourismus, Stefanie Neuhaus-Richter, ist derzeit in der Lingener Innenstadt nur wenig los.

Robert Koop, Fraktionsvorsitzender der Wählervereinigung der Bürgernahen (BN), erklärte, dem Antrag der CDU insgesamt zuzustimmen, auch wenn dieser nicht umfassend genug sei und Mängel enthalte. Er forderte, dass der ÖPNV in der Stadt grundsätzlich kostenlos sein solle. Zudem solle Lingen Wirtschaft und Tourismus ein Stadtmarketing-Konzept entwickeln. Die Innenstadt brauche Kulturveranstaltungen, Brunnen, Spielgeräte und mehr Grün. Koop bat die CDU, probeweise die Fußgängerzone für Radfahrer freizugeben. „Radfahrer sind die besten Einzelhandelskunden“, sagte der BN-Fraktionschef.

Koop: Über Sparkasse und BvL neu nachdenken

Zudem forderte er, in der Vergangenheit gefasste Beschlüsse zu überprüfen: „Eine zwei Jahre andauernde Großbaustelle am Sparkassengebäude können wir uns nicht leisten.“ Es sei auch nicht mehr vertretbar, außerhalb der Innenstadt Verbrauchermärkte zu eröffnen. Koop bezog sich dabei auf das geplante Bauvorhaben bei BvL an der Lindenstraße. Weiter solle die Stadt die Vielfalt der Funktionen der Innenstadt im Blick behalten, diese nicht auf den Einzelhandel reduzieren. Wir brauchen mehr Wohnen in der Innenstadt. Das ist langfristig der richtige Weg.“ Auch müsse der Einzelhandel seinen Beitrag, beispielsweise durch angeglichene Öffnungszeiten, leisten. Zum Ratsbeschluss sagte Koop:

„Heute gehen wir einen ersten kleinen Schritt, um den Einzelhandel zu stützen. Aber wir dürfen nicht stehen bleiben.“

Thomas Kühle (Grüne) bezeichnete den „Strauß von Maßnahmen“ als ein „Strohfeuer“. Weitere Maßnahmen müssten folgen, aber auch finanzierbar sein. Er appellierte an die Bürger: „Jeder einzelne Mensch muss sich Gedanken machen, ob er lieber online oder vor Ort einkauft.“ Oberbürgermeister Dieter Krone wies die Bezeichnung „Strohfeuer“ zurück: „Wir bringen zielgerichtet ein lokales Konjunkturpaket auf den Markt.“ Es sei beachtlich, wie schnell die CDU dies nach dem Hilferuf der Kaufleute umgesetzt habe. Ein Marketingkonzept müsse groß angegangen werden, sagte Krone:

„Die Stadt Lingen soll sich neu darstellen und Lust auf mehr machen.“

Dirk Iselohe bedankte sich im Namen der Einzelhändler in der Ratssitzung dafür, dass die Politik die Anliegen der Einzelhändler ernst nehme. „Die Probleme wie in der Großen Straße oder die Konkurrenz durch Onlineshops sind nicht neu. Und auch über einen ,Masterplan Innenstadt‘ diskutieren wir seit Jahren“, erklärte der Vorsitzende von Lingen Wirtschaft und Tourismus auf Nachfrage unserer Redaktion. In der aktuellen Krise seien jedoch auch gesunde Unternehmen ins Schleudern geraten, die ihre Hausaufgaben gemacht hätten. In der Diskussion im Rat seien teilweise kurz- und langfristige Probleme in einen Topf geworfen worden. Iserlohe meint:

„Die Probleme des Einzelhandels zeigen sich in der Krise wie im Brennglas.“

Was sagt Iserlohe zu den jetzt beschlossenen Maßnahmen? „Die Gutscheine müssen jetzt ihren Weg in Handel und Gastronomie finden.“ Und nach wie vor sei die mangelnde Kundenfrequenz montags bis freitags ein Problem. Eines stimmt Iserlohe jedoch nach der Ratssitzung zuversichtlich: „Ich habe heute die Bereitschaft gespürt, das beschlossene Bündel weiter aufzuschnüren, wenn man sieht, dass es nicht reicht.“